Ein Wochenende in Rheinsberg

„Sie schritten durch ein schmiedeeisernes Tor in den Park. Hier war es ruhig. […] Noch brausten und dröhnten ihnen die Geräusche der großen Stadt, der Straßenbahnen, Gespräche waren noch nicht verhallt, der Lärm der Herfahrt … der Lärm ihres täglichen Lebens, den sie nicht mehr hörten, den die Nerven aber doch zu überwinden hatten, der eine bestimmte Menge Lebensenergie wegnahm, ohne dass man es merkte …“

„Aber hier war es nun still, die Ruhe wirkte lähmend, wie wenn ein regelmäßiges, langgewohntes Geräusch plötzlich abgestellt wird. Lange sprachen sie nicht, ließen sich beruhigen von schattigen Wegen, der stillen Fläche des Sees, den Bäumen …“

„Wie alle Großstädter bewunderten sie maßlos einen einfachen Strauch, überschätzten seine Schönheit ohne das Praktische aller sie umgebenden ländlichen Verhältnisse zu ahnen … „

„Warum ist hier nicht überall der zweite Friedrich? So wie er in Sanssouci überall ist. Auf jedem geharkten Weg, an jedem Boskett, hinter jeder Statue? – Hier hat er gelebt. Gut. Wüßtest du es nicht, würdest du es merken?“

„Das Schloß! – Das Schloß mußte besichtigt werden.“

„Die Zimmer waren karg und enthaltsam eingerichtet. Steif und ausgerichtet standen Stühle an den Wänden aufgebaut. Es fehlte jene leise Unregelmäßigkeit, die einen Raum erst wohnlich erscheinen läßt, hier stand alles in rechtem Winkel zueinander …“

„Aber hier – man trat in ein anderes höheres Zimmer – hier sei der Gemäldesaal. Die Bilder habe der berühmte Kunstmaler Pesne gemalen, und die Bilder seien so vorzüglich gemalen, daß sie den geehrten Besuchern überall hin mit den Augen folgten.“

„Am Nachmittag fuhren sie auf dem See herum.“

„Das Schloß leuchtete weiß, violett funkelten die Fensterscheiben in hellen Rahmen, von staubigen Lichtern rosig betupft, alles spiegelte sich im glatten Wasser. Baumgruppen standen da, rötlich-gelb beschienen mit schwärzlichen Schatten, sie warfen lange, dunkle Flächen auf den Rasen. Träge schob sich der See in kleinen Wellchen an die schilfigen Ufer …“

„Nachmittags lagen sie im Boot. Der Himmel war klar, noch einmal gab der Sommer seine Wärme.“

„Und kehrten zurück und packten ein, […] und fuhren […] brausend, aufgewühlt, nach Berlin. In die große Stadt, in der es wieder Mühen für sie gab, […] Arbeit und das ganze Glück ihrer großen Liebe.“

Kurt Tucholsky – Rheinsberg Ein Bilderbuch für Verliebte