Wir waren vor ziemlich genau 10 Jahren bereits einmal in Wien. So richtig hat die Stadt uns damals nicht bezaubert. Seit dem haben wir aber immer wieder gehört, wie toll Wien sein soll. Beste Stadt, sozusagen. Deshalb habe wir das nun noch mal überprüft.
Nach unserer Rückkehr wurden wir gefragt: „Und, lohnt sich Wien?“
Die Antwort: „Kennst du … Berlin?“
Die Zusammenfassung: Wien ist wie Berlin, im Guten, wie im Schlechten. Wien ist schöner als Berlin, zugegeben.
Aber dafür teurer. Wenn man in Berlin lebt, gibt es keinen Grund, warum sich ein Besuch in Wien lohnen würde. Aber natürlich haben wir auch im Detail was zu sagen…
Die Wiener Mentalität
Viele Leute finden Menschen in Berlin unfreundlich, die Stadt dreckig und nicht sehr einladend. Erstens, sind Berliner*innen nicht unfreundlich, sie haben nur keine Geduld für Plattitüden und zweitens, ist das immer noch besser, als die Apathie und das Desinteresse, dass einem in Wien überall begegnet.
- Zwischen Ankunft und Check-In ein Museum besuchen? Keine Chance, denn eine Garderobe für Koffer gibt es nicht – bzw. das ist nicht gewollt, denn in anderen Großstädten mit Tagesbesucher*innen geht das ohne Probleme. Deshalb sitzen im Schlossgarten von Belvedere mutlose Menschen mit ihren Koffern und sehen ihre 25€-Tickets verfallen.
- Wasserrohrbruch im Hotel – natürlich werden wir umgebucht aber nirgendwo darauf hingewiesen. Die Änderung hätten wir der Bestätigungsemail in Form einer anderen Adresse entnehmen können … weil wir alle Straßen in Wien natürlich aus dem Eff-Eff kennen
- gleiches Thema – Theaterkarten für ein Theater im Umbau. Wo findet die Vorstellung statt? Finde es selbst heraus …
- und vielleicht das Pièce de Résistance: beim überqueren von Fußgängerampeln in allen Städten, die wir bisher in unserem Leben besucht haben, gibt es eine Geräuschunterstützung für blinde Menschen, die anzeigt, wann rot und wann grün ist und automatisch im Rhythmus der Ampel umschaltet. Nicht in Wien … in Wien müssen blinde Menschen erst manuell am Kästchen einen Knopf drücken, um anzuzeigen, dass sie die Unterstützung jetzt dann auch nutzen wollen würden …
Wenn das der viel besprochene Wiener Schmäh ist, dann doch lieber Berliner „Unfreundlichkeit“.
Im Folgenden haben wir uns überlegt, welche Tipps wir geben können, damit es mit dem Wien-Besuch trotzdem was wird.
Erstmal vorweg – wenn der Koffer untergestellt werden muss und alle der max. 50 vorhandenen Fächer am Bahnhof belegt sind, empfiehlt es sich, im Novotel-Hotel nebenan über den Online-Dienst Bounce die Koffer für ein paar Stunden einzubuchen.
Wiener Museen sind eine Frage des Geldes
Wir waren im Belvedere, weil wir die Egon Schieles und die Gustav Klimts auch mal in Echt sehen wollten.
Es sind Unmengen von Menschen hier und an den „Kuss“ ranzukommen, ist aussichtslos.
Dieser Kunstgenuss kostet schlappe 25 Euro pro Person. Im Vergleich: die Alte Nationalgalerie in Berlin kostet 9 Euro weniger. Für 25 Euro kann man alle Museen auf der Berliner Museumsinsel besuchen.
Der Besuch war trotzdem lohnenswert. Die Gemälde in diesem Museum sind großartig und die Sonderausstellung zur Malerin Broncia Koller-Pinell war sehr inspirierend.
Alle weiteren größeren Museen in Wien, zum Beispiel im neuen MuseumsQuartier,
hätten uns allerdings auch wieder ähnliche Preise gekostet, weshalb wir dankend abgelehnt und stattdessen ein Kleinod entdeckt haben:
In der Österreichischen Nationalgalerie befinden sich das Esperanto-Museum und das Globen-Museum. Beide klein aber fein, interessant und sehr ruhig. Und beide gibt es für günstige 5 Euro pro Person im Kombiticket. Definitiv eine Empfehlung. Die Verbindung von einer Universalsprache und Globen als Vermessung der Welt haben uns auf jeden Fall im Nachgang noch zu dem einen oder anderen Gedanken inspiriert.
„Erwarten Sie nicht zu viel“ – vom Service in Wien
In Berlin erleben wir regelmäßig schlechten Service in Restaurants. Das ist fast so was wie ein Volkssport hier. Wien steht dem in nichts nach. Unaufmerksam, genervt von der Kundschaft, langsam, verpeilt, desinteressiert … uns fallen noch einige passende Adjektive ein. Wenn dem schon so ist, dann muss wenigstens das Essen schmecken. Entsprechend können wir empfehlen:
Viva la Mamma – glutenfreie Pizza und Pasta
Gasthaus Nestroy – (auch glutenfreie) österreichische Küche
Eine Warnung möchten wir dann doch für das Frühstückslokal SiL aussprechen.
Ja, das Essen war gut und das Lokal ist hübsch, aber nicht nur wird man hier einfach wegignoriert, die Angaben zu glutenfreien Gerichten in der Speisekarte sind schlicht falsch. Das weiß man auch, aber warum sollte man das ändern …
Kaffee in Wien ist unverschämt teuer – dann muss er wenigstens gut sein
Kaffee in Berlin ist in den letzten Jahren auch nicht günstiger geworden. Für einen Latte mit Hafermilch bezahlt man ohne Probleme 4,40€. In Wien kann man noch mindestens einen Euro draufschlagen und Milchalternativen kostet überall extra. Das ist frech. Damit dann wenigstens keine Enttäuschungen dabei sind, hier unsere Empfehlungen:
Und wenn es wirklich was Besonderes sein soll, das Café Exchange in der alten Postsparkasse.
Langeweile beim Spaziergang
Neubau, Mariahilf, Karmeliter-Viertel, der 3. Bezirk mit dem Hundertwasser-Ensemble – sie alle werden als interessante Stadtviertel gepriesen.
Vielleicht sind sie das auch immer am Samstag zwischen 9 und 15 Uhr oder so, aber an einem Dienstag oder Mittwoch sind sie es nicht. Ehrlich … Friedrichshain, Kreuzberg oder Berlin-Mitte sind jeden Tag die Woche abwechlungsreicher und besser geeignet für ein bisschen Müßiggang entlang von Boutiquen, Gastronomie und in großstädtischer Atmosphäre.
Ach so … und ein paar umgebaute Bunker haben wir in Berlin auch.