Gulbenkian, Avillez und Fado – Lissabon

Wir waren bereits 2013 einmal kurz in Lissabon, wobei uns die Stadt damals schon sehr gefallen hat. Deshalb war ganz klar: wir bleiben auch diesmal, wenigstens kurz. Vor allem auch, weil wir schon vor unserer Reise das Gefühl hatten, dass sich in den letzten 6 Jahren noch mal einiges in Lissabon getan hat.

Zwischen 1908 und 2019

Während wir bei unserem letzten Aufenthalt direkt am Rossio ein Hotel hatten, haben wir uns diesmal für den Stadtteil Mouraria und das Hotel 1908 entschieden.

Das Hotel selbst ist ein sehr schöner, frisch sanierter Jahrhundertwende-Bau mit Geschichte und unser Zimmer, in der runden Hausecke besaß, neben einem schönen Marmor-Bad inkl. Badewanne mit Ausblick, auch ein kleines Wohnzimmer mit Plattenspieler und Schreibtisch. Die Badewanne haben wir genutzt, für alles andere hat die Zeit leider nicht gereicht.

Mouraria ist ein Viertel mit Geschichte. Wie der Name vielleicht schon vermuten lässt, handelt es sich um das ehemalige Mauren-Viertel, in das die Muslime in Portugal zu Zeiten der Reconquista vertrieben worden sind. Damals befand sich das Gebiet noch außerhalb der Stadtmauern. Ein Viertel der Außenseiter und Ausgestoßenen ist Mouraria bis heute geblieben. Im späten 19. Jahrhundert wurde hier der Fado und seine ersten großen Stars geboren. Heute leben in Mouraria Immigranten aus Indien, Pakistan, Afrika und China. Ihre Geschäfte und Lokale prägen die Optik und sorgen dafür, dass sich Mouraria trotz der typischen Lissabon-Optik (Kacheln, bunt verputzte Häuser und Jugendstil) abhebt. Nachts ist das Viertel sehr beliebt zum Ausgehen und selbst die berühmte Straßenbahnlinie 28 fährt hier hindurch.

Seit der ehemalige Bürgermeister von Lissabon und heutiger Premierminister Portugals Antonio Costa 2011 hier die Stadtentwicklung angestoßen hat, wird saniert was das Zeug hält. Bisher existiert noch alles nebeneinander: die traditionellen Gassen mit ihren kleinen Bars, die pakistanischen und chinesischen Restaurants, die Wohnviertel der Immigranten und die neuen, schönen Hotels. Mal sehen, wie lange noch.


Was ist besonders schön?

Ganz Lissabon ist eine Augenweide, aber im direkten Altstadtbereich – also Chiado, Rossio, Barro Alto – sind die Lissaboner schon fast in der Minderheit, angesichts der Masse an Touristen, die sich hier durchschiebt. Grund genug, auch ein bisschen abseits zu schauen.


Gulbenkian Park & Museum

Eine ganz besondere Oase ist das Gelände der Gulbenkian-Stiftung in Campolide. Ein großer Park beherbergt ein Museum für die private Sammlung Calouste Gulbenkians, ein Museum für moderne Kunst sowie Archive und eine Freilichtbühne. Im Park zu spazieren, ist aber vor allem bei hohen Temperaturen eine echte Wohltat.

Calouste Gulbenkian ist eine spannende Figur. Er starb 1955 in Lissabon als damals reichster Mensch der Welt. Als armenischer Erdölhändler hatte er vor allem vor dem 1. Weltkrieg sein Vermögen gemacht und in Kunst investiert. Seine Sammlung beginnt chronologisch mit Stücken aus dem antiken Ägypten und endet mit französischer Malerei und Bildhauerei des späten 19. Jahrhunderts.


Campo do Ourique

Ein weiteres, noch nicht ganz von Touristen eingenommenes Stadtviertel, ist Campo do Ourique.

Hier endet zwar die Strecke der berühmten Straßenbahnlinie 28, aber nicht alle Touristen fahren soweit oder nehmen direkt die nächste Bahn wieder zurück. Dabei lohnt es sich, dem Cemitério dos Prazeres einen Besuch abzustatten. Dieser alte Friedhof besteht fast ausschließlich aus Gruften, darunter Gräber historischer und für die Stadtgeschichte wichtiger Personen. Ein kleiner, vor dem Grab eingelassener Backstein mit einem entsprechenden Symbol verrät, ob es sich um eine Person des öffentlichen Lebens, einer bestimmten Profession oder um ein Mitglied der Freimauerer handelt.

Nach dem Friedhofsbesuch lohnt sich ein Spaziergang durchs Viertel, das mit seinen vielen Gebäuden in den unterschiedlichsten Rosatönen zumindest uns bezaubert hat. Hier gibt es keine großen Sehenswürdigkeiten, aber man kann ganz entspannt schlendern, die Basilika Estrela anschauen oder sich im Jardim de Estrela ausruhen.


Was muss man unbedingt ansehen?

Lissabon hat wahnsinnig viel an der Museumsfront zu bieten. Natürlich kann man nicht alles anschauen, weshalb wir – neben der bereits erwähnten Calouste Gulbenkian Sammlung – die folgenden beiden Stops in Belém empfehlen.

Maat – Museu Arte Arquitetura Tecnologia

Dieses architektonische Juwel ist im November 2016 eröffnet worden. Allein das Gebäude am Ufer des Tejo ist einen Besuch wert.

Innen drin findet man wechselnde Ausstellungen rund um moderne Kunst zu Themen, die sich mit Architektur, Politik und Technologie beschäftigen. Wir haben eine große Videoinstallation von Jesper Just namens „Servitude“ gesehen, die sich perfekt die ovale Raumgestaltung zu nutze gemacht hat. Außerdem hat uns die Fotoausstellung „Fiction and Fabrication“ gefallen, in der digital bearbeitete Bilder von Gebäuden gezeigt werden. Durch die Bearbeitung bekommen die Bilder eine weitere Ebene, die etwas über die Art und Weise wie wir leben beziehungsweise wie wir zukünftig leben könnten, erzählt. Häufig sind diese utopischen Bilder lustig bis beunruhigend.

Folgt man der Uferpromenade in Belém weiter in die Richtung, in der sich alle Touristen befinden, kommt man zu einem enormen, modernen Gebäude, dass nicht so recht neben das historische Jeronimo-Kloster passt: das Centro Cultural de Belém.

Und hier gibt es auch direkt einen „Geheimtipp“: sucht man in Belém einen Ort für einen kleinen Mittagssnack, will sich aber nicht in eines der schlimmen Touri-Restaurants begeben, dann sollte man einen Abstecher ins CCB machen. Hier befindet sich eine kleine Kantine für die Mitarbeiter, die auch am Samstag offen hat. Das Menü ist nicht besonders umfangreich, aber für Salate, Suppen, Sandwiches und ein Tagesgericht reicht es. Preisgünstig ist es auch. Und die Ruhe und Entspannung abseits von den Tourigruppen da draußen, ist vielleicht das Beste daran.

Nachdem man sich gestärkt hat, sollte man unbedingt das Museu Coleção Berardo besuchen, dass sich im CCB befindet. Auch hierbei handelt es sich um eine private Sammlung. José Manuel Rodrigues Berardo, ein portugiesischer Geschäftsmann, hat sie mit Werken von modernen und zeitgenössigen Künstlern zusammengestellt. Dabei hat er sich vor allem auf Kunstströmungen fokussiert, die zu ihrer Zeit Avantgarde und revolutionär waren. Die Sammlung ist chronologisch aufgebaut. Ich persönlich fand die Abteilung 1900-1960 hervorragend und die Abteilung 1960-heute etwas weniger toll. Im zweiten Teil gab es aber trotzdem ein paar großartige Kunstwerke, wie das Bild „Pater“ von Jean-Michel Basquiat.

Außerdem kann man natürlich trotzdem durch Belém spazieren, den Yachthafen und die historischen Sehenswürdigkeiten bestaunen und für ein Pastel de Belém längere Wartezeiten in Kauf nehmen … aber man hat halt auch Alternativen :)


Was muss nicht sein?

Dass man nicht unbedingt direkt am Rossio ins Restaurant gehen sollte, muss nicht erwähnt sein. Wenn man die gängigen Touristenfallen umgeht, macht Lissabon sehr viel Spaß. Selbst unsere „Was muss nicht sein?“-Beispiele sind nicht per se schlecht. Man kann sie aber weglassen, wenn man nicht so viel Zeit hat, ohne etwas Dramatisches verpasst zu haben.

lxfactory

Auf halbem Wege zwischen Altstadt und Belém liegt das Viertel Santo Amaro. Hier befindet sich, unter einer riesigen, hohen, angsteinflössenden Autobahnbrücke, ein Fabrikgelände, dass von den Hipstern Lissabons übernommen und in eine Reihe von Cafés, Läden und Bars verwandelt wurde. Kennt man ähnlich aus vielen großen Städten inklusive Berlin. Aber besonders vor 11 Uhr dort zu spazieren und zu frühstücken, ist trotzdem keine schlechte Idee.


Straßenbahn fahren

Kaum ein Bild steht mehr für Lissabon, wie die gelben, alten Straßenbahnen. Genau das denken sich auch wirklich alle Touristen, weshalb die Schlangen an den Linien 15 (nach Belém) und 28 (nach Campo do Ourique) den ganzen Tag so lang sind, dass ich nicht weiß, warum man sich das antun sollte. Parallel zur Straßenbahn fahren Busse, mit denen man besser und schneller von A nach B kommt. Es gibt aber eine Möglichkeit, ganz entspannt mit der Straßenbahn zu fahren: früh aufstehen. Wir haben die Linie 28 7:30 am Morgen genommen, haben ganz entspannt einen Sitzplatz bekommen, die Straßen waren frei, die Morgensonne hat uns ins Gesicht geleuchtet und es war super entspannt. Ab 08:00 sieht’s vermutlich schon ganz anders aus.


Wo kann man gut schlemmen?

Für unseren zweiten Besuch in Lissabon stand ein Name ganz oben auf der Liste, als es um die Frage ging: wohin gehen wir essen? Jose Avillez war Portugals erster Sternekoch und ist ein Geschäftsmann vor dem Herrn. Allein in Porto und Lissabon betreibt er 11 verschiedene Restaurant-Konzepte mit zum Teil mehreren Standorten. Wir haben in Porto schon einmal in seiner Cantinho do Avillez gegessen, die eine entspannte Atmosphäre mit guten, aber nicht zu übertriebenem Essen bietet. Für Lissabon haben wir uns gegen sein 2-Sternerestaurant Belcanto aber für zwei sehr unterschiedliche Restaurants entschieden:

Café Lisboa

Hier bleibt alles sehr traditionell. Im São Carlos National Theater beheimatet, ist hier alles mit rotem Samt und Kronleuchtern gestaltet. Die Gerichte sind typisch portugiesisch, wenn auch ein bisschen feiner, als man sie sonst im Rest des Landes bekommt.


Minibar

Ein ganz anderes Erlebnis ist ein Besuch im Restaurant Minibar. Hier lebt Avillez seine Experimentierfreude aus. Mit einem Tasting Menü erlebt man jede Menge Überraschungen und erstaunliche Geschmacksexplosionen. Hier bekommt man auch die berühmte „El Bulli“-Olive und damit echte kulinarische Geschichte serviert. Im „El Bulli“ wurde die Molekularküche erfunden und die Olive war eines der ersten Gerichte, dass inzwischen eine Art kulinarisches Weltkulturerbe ist. Außerdem bekommt man: Caipirinha in Kugelform, Margherita-Äpfel, Erdnüsse aus weißer Schokolade, Tequila-Garnelen bei denen man die Limette im Mund zerdrückt, Jakobsmuscheln in der Eiswaffel sowie ein paar „normalere“ Gerichte wie Polenta mit Ochenschwanz, Thunfisch mit Misosoße und zum Abschluss ein sehr leckeres Schokoladenmousse.


Ein Restaurant haben wir leider nicht mehr geschafft, ich lege es aber jedem Lissabon-Besucher ans Herz: Cantinha do Aziz. In Mouraria, ganz ohne Schnick Schnack, befindet sich dieses Restaurant mit einer traditionellen Küche aus Mosambique und ist damit eine Einwanderer-Erfolgsgeschichte. Als vielleicht bestes Restaurant in Lissabon gehandelt, hat es schon Ableger in Leeds, England und New York und der Stern von Chefköchin Jeny Sulemange ist im Aufstieg begriffen.


Zum Abschluss noch eine absolute Empfehlung fürs Frühstück: Comoba. Man braucht gar nicht viel sagen, die Bilder mit den dort servierten vegetarischen bis veganen Köstlichkeiten sprechen für sich.


Wo gibt es guten Kaffee?

Interessanterweise ist Third Wave Coffee gerade noch dabei, sich in Lissabon zu etablieren und damit das Monopol von Delta Kaffee langsam aufzubrechen. Wir haben getestet:

Fabrica Coffee Roasters
Copenhagen Coffee Lab
Wish Slow Coffee House

Das ist unser Lissabon-Soundtrack

Oh, Lisboa!!!!!