Never enough Tradition – Kyoto, Japan

Wir haben während unserer Japan-Reise eine Woche in Kyoto verbracht und es hat sich angefühlt, wie ein Urlaub im Urlaub.

Von der neuen in die alte Hauptstadt

Um von Tokyo nach Kyoto zu kommen, haben wir den japanischen Schnellzug Shinkansen benutzt. Dieser fährt die Strecke in etwas mehr als 2 Stunden. Jede andere Verbindung mit einem Regionalzug oder Überlandbus braucht etwa 8 Stunden. Damit ist der Shinkansen unschlagbar, wenn auch kein Schnäppchen. Pro Person und Strecke muss man mit mindestens 100 Euro rechnen. Nun fragt sich der Deutsche, wie schaffen es die Japaner, den Shinkansen bei ca. 205 km/Stunde Durchschnittsgeschwindigkeit ! inklusive Zwischenstops ! fahren zu lassen, wenn bei uns der ICE nur selten seine Höchstgeschwindigkeit erreicht. Ganz einfach – das Shinkansen Schienennetz ist komplett losgelöst vom restlichen Verkehr. Doch der Shinkansen ist nicht nur schnell, sondern auch pünktlich. Diese Pünktlichkeit ist geradezu eine Frage der nationalen Ehre. Wenn der Zug also 10:58 abfährt, dann rollt er, sobald der Zeiger der Uhr auf 58 Minuten gesprungen ist.

Kommt der Zug in Tokyo an, dann steht schon ein Putztrupp bereit, der in kürzester Zeit einmal sauber macht und die Sitze um 180 Grad dreht, denn man sitzt immer in Fahrtrichtung. Und dann geht es auch schon los. Theoretisch kann man auf der Strecke Tokyo – Kyoto auch den Fuji sehen. Aber wirklich nur theoretisch. Wir haben ihn auf dem Hinweg für circa 3 Sekunden erspäht. Ansonsten lag er hinter Wolken verborgen, was wohl scheinbar der Standard ist.

Da uns Kyoto sehr gut gefallen hat, am Fuji nur schlechtes Wetter angekündigt war und es aktuell keine vernünftige Verbindung zwischen Kyoto und Fuji gibt, haben wir unseren eigentlich dort geplanten Besuch dann auch abgesagt und haben den Berg so auch später nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Stattdessen hatten wir etwas mehr Zeit im wunderbaren Kyoto und das hat sich gelohnt. Obwohl auch Kyoto mehr als 1 Mio. Einwohner hat, fühlt es sich entspannt, gemütlich und ruhig an. Es gibt ein paar große Verkehrsstraßen, aber abseits davon kann man ohne Probleme auf der Straße laufen (Gehwege gibt es nicht wirklich), da es nur wenig Verkehr gibt. Die Häuser sind zumeist niedrig und es gibt noch sehr viel traditionelle Bausubstanz. An fast jeder Straßenecke erwartet einen auch noch ein kleiner Tempel oder Schrein.

Kyoto war zwischen 794 und 1868 die Hauptstadt Japans, weshalb es auch hier einen Kaiserpalast sowie eine große Anzahl an Tempeln und Burgen gibt. Auch sonst steht Kyoto vor allem für den Erhalt japanischer Traditionen, zum Beispiel im alten Unterhaltungsviertel Gion mit seinen Kabuki-Theatern, in dem bis heute noch die Kultur der Geishas weiterlebt. Allein 14 der in Kyoto befindlichen buddhistischen Tempel und Shinto-Schreine gehören zum UNESCO Weltkulturerbe.

Wir haben zunächst im Morris Hostel in Kyoto geschlafen. Das Zimmer war für japanische Verhältnisse ok groß. Besonders gefallen hat mir die Möglichkeit, aus mehreren Kissenformen die passende auszuwählen.

Egal ob Memory Schaum oder Daunen, hier kann jeder sein Haupt nach Belieben betten. Und das richtige oder eher das fehlende Kissen hat mir persönlich schon so einige Urlaubsnächte vermiest :) … ach wir werden alt!

Nach dem wir noch ein paar Tage länger bleiben wollten, haben wir uns eine zweite Unterkunft gesucht. Diesmal haben wir uns für eines der vielen Gästehäuser in Kyoto entschieden: das Ai-Matsubara.

Gästehäuser sind Wohnhäuser, die wie Pensionen geführt werden. Deshalb sind sie nicht von der gesetzlichen Einschränkung von Privatvermietungen betroffen. Sie bieten mehr Platz, dafür aber keinerlei Verpflegung. Trotzdem würden wir diese Form der Unterkunft gegenüber Hostel oder Hotel empfehlen.

Wo ist es besonders schön?

Wo anfangen … die ersten zwei Tage sind wir durch Kyoto gelaufen und haben alle 10 Minuten festgestellt, wie toll es hier ist.

Wer nach Kyoto kommt, tut dies vor allem auch, um die Tempelanlagen in und um die Stadt zu besuchen. Kyoto liegt in einem Tal und ist von bewaldeten Bergen umschlossen. Einige der schönsten Anlagen liegen deshalb etwas außerhalb, sind aber mit dem Regionalzug meist gut erreichbar. Es sind aber in Summe so viele buddhistische Tempel und Shinto-Schreine, dass es sinnvoll ist, sich vorher schon mal ein paar Bilder anzuschauen, um dann zu entscheiden, welche davon man besucht. So übersättigt man sich auch nicht völlig und das Ganze verliert nicht den Charme, den es ja eigentlich haben soll.

*Ein kleiner Hinweis für alle folgenden Bilder, die den Eindruck machen, wir wären mehr oder weniger allein durch die Anlagen spaziert und hätten sie uns in Ruhe angeschaut. Dieser Eindruck täuscht. Es sind überall jede Menge Touristen vor Ort und man muss sich darauf einstellen, von den Massen mitgeschoben zu werden. Die menschenleeren Fotos sind also nur eine Frage des guten Timings.*

Fushimi-Inari

Ein absolutes Highlight und Muss jedes Kyoto Aufenthaltes ist das Gelände des Fushimi-Inari Schreins. Ca. 20 Minuten mit dem Zug muss man vom Stadtzentrum nach Fushimi-ku fahren und dann aufsteigen. Ein Weg führt ungefähr 4 Kilometer von der unteren Tempelanlage durch den Wald und ist gesäumt von tausenden roten Torii – Holztoren, die dicht an dicht stehen.

Neben den Toren, ist Fushimi-Inari bekannt für seine Fuchsstatuen. Der Fuchs – der Inari – ist ein Bote, der zwischen den göttlichen Mächten der Natur und den Menschen vermittelt.

Der Schrein stammt aus dem 8. Jahrhundert und ist den Göttern des Reises und des Sake geweiht.

Kinkaku-Ji

Ebenfalls ein bisschen mit dem Bus fahren muss man, um die goldene Pagode zu sehen.

Der Tempelkomplex ist rund um einen See angelegt, den man umrundet, um das goldene Türmchen von allen Seiten zu betrachten. In der Pagode befinden sich angeblich Reliquen von Buddha selbst.

Shoren-In

Ein nicht so häufig besuchter Tempel in Kyoto ist Shoren-In. Da hier nur jeder fünfte Tourist hinkommt, ist es ruhig und man kann entspannt in den alten Holzhäusern sitzen und den Garten genießen. Überhaupt – die Gärten … das können sie einfach. Auch wenn man es nicht besonders mit der Spiritualität oder dem Meditieren hält, sitzt man in einer geöffneten Schiebetür, schaut nach draußen auf den See, beobachtet die Koi-Karpfen und merkt sofort, wie der Puls und die Gedanken ruhig werden. Dem kann man sich praktisch nicht entziehen.

Kennin-Ji

Kennin-Ji liegt mitten im wuseligen Gion, bietet aber ebenfalls eine Besonderheit in Form der beeindruckenden Drachen-Decke in der Haupthalle. Dabei handelt es sich mit Tinte bemaltes Papier, dass 2002 zum 800-jährigen Jubiläum des Tempels von einem Mönch hergestellt wurde. Kennin-Ji ist der älteste Zen-Tempel in Kyoto und verfügt deshalb auch über einen großen Zengarten.

Arashiyama

Ebenfalls etwa 20 Minuten fährt man mit dem Zug, um nach Arashiyama zu kommen. Das Randviertel von Kyoto liegt am Hozu-Gawa Fluss. Hier kann man eine Bootstour machen oder den Bambuswald besuchen. Letzteres ist allerdings weniger beeindruckend als man denkt, aber hey … Fotos!

In Arashiyama ist man schon ein ganzes Stückchen weiter in der Natur. Hier kommen die Japaner (etwa 2-3 Wochen nach uns) hin, um den roten Ahorn, der ein Symbol für Kyoto ist, in voller Schönheit zu sehen. Zwischen die Bäume erspäht man auch hier Tempeldächer.

Läuft man durch den Bambuswald, kommt man unweigerlich Tenryu-Ji Tempel vorbei, der angeblich den schönsten Garten von ganz Kyoto besitzt.

Auch sonst bietet es sich an, in Arashiyama zu schlendern, und zum Beispiel ein Kirschblüten-Matchatee-Softeis zu essen.

Was muss nicht sein?

Kaiserpalast

Aufgrund seiner langen Geschichte als Hauptstadt verfügt auch Kyoto über einen Kaiserpalast samt der weitläufigen, dazugehörigen Parkanlage. Nachdem wir uns das Pendant in Tokyo nicht angeschaut haben, dachten wir uns, wir müssen vielleicht hier mal vorbeischauen. Ganz nett, aber eigentlich kann man nur ein paar Häuser von außen und die dazugehörigen Gärten sehen. Nicht schlecht, aber auch nicht schlimm, wenn man dafür keine Zeit hat.

Schöner ist stattdessen der Besuch der Burg Nijo-Jo der Tokugawa Shogune. Hat man die gesehen, kann man auch auf den Palast verzichten.

Gion 

Gion ist das alte Unterhaltungszentrum von Kyoto. Hier steppt auch heute noch abends der Bär in den unzähligen Restaurants und Theatern, aber hier herrscht Tourismus pur und tagsüber ist das Ganze nicht besonders interessant. In Gion gibt es die Hanami-koji, eine traditionelle Straße, in der Touristen hoffen, eine echte Maiko oder Geisha zu entdecken.

Das ist aber gar nicht so einfach, denn zwischen den vielen Japanerinnen im Kimono, die zu Tausenden in Kyoto unterwegs sind, muss man schon ganz genau hinschauen. Manchmal sieht man dann eine „Echte“, erkennbar an den Haaren, die so komplizierte und unbequeme Gebilde sind, dass sich keine Touristin das antut. Aber sie sind schnell vorbei gehuscht und um die nächste Ecke verschwunden und man kann es ihnen nicht verdenken, da sie sonst von Touristen belagert werden.

Für mich persönlich hat sich doch ein Highlight in Gion gefunden. Vor unserer Reise war ich etwas betrübt, dass ein Ausflug auf die Museumsinsel Naoshima in Japan wohl nicht mehr in unseren Ablauf passt. Nicht zuletzt hätte ich mir dort gern die große Kürbis-Skulptur der japanischen Pop-Art Künstlerin Yayoi Kusama angeschaut. Doch siehe da, was verbirgt sich direkt neben einem Kabuki-Theater in Gion:

Das private Forever Museum of Contemporary Art in Kyoto zeigt noch bis Februar 2019 eine Retrospektive von Kusama, inklusive jeder Menge Kürbise, die für die Künstlerin eine Art Selbstporträts sind, und anderer Bilder und Installationen.

Für mich eine tolle Überraschung, aber durch recht hohe Eintrittspreise und doch eine recht spezielle Bildsprache nichts für Jedermann. Ist man aber erstmal im Museum, kann man auch noch einen Spaziergang im Garten machen.

Ninnen-Zaka

In Kyoto gibt es ein Gebiet oberhalb von Gion, in dem noch sehr viele traditionelle Holzhäuser bestehen geblieben sind. Das wäre theoretisch ganz schön, wenn nicht jedes Haus ein Souvernirgeschäft beinhalten würde und hier nicht jeder Tourist in ganz Kyoto einmal vorbeikommt. Das raubt ein wenig den Charme.

Dennoch, wenn man genügend Zeit und Muse hat, lohnt ein Spaziergang von Gion in dieses Viertel. Auf dem Weg steht man dann plötzlich einem riesigen Buddha gegenüber.

Dieser gehört zum Tempel Ryozen-Ji, der relativ neu und den gefallenen Soldaten des 2. Weltkriegs gewidmet ist. Mit dem Eintrittsticket bekommt man auch gleich ein Räucherstäbchen dazu.

Wo kann man gut schlemmen?

Auch hier haben wir in Kyoto ein echtes Highlight mitgenommen und zwar in mehrerer Hinsicht. Im Nordwesten der Stadt gibt es einen Spazierweg, der „der Weg des Philosophen“ genannt wird. Er führt vorbei an verschiedenen Tempeln, durch ruhige Wohnviertel und an einem kleinen Bächlein entlang. Wir sind ihn passend zum Sonnenuntergang gegangen und es war einfach nur schön, vor allem auch, weil man am Ende vor einem kleinen Restaurant mit ca. 10 Sitzplätzen namens Monk (der Mönch) steht.

Hier kocht Yoshihiro Imai, ein junger Koch mit internationaler Erfahrung. Dabei nutzt er täglich eingekaufte absolut saisonale und regionale Produkte aus dem Umland und einen stattlichen Holzkohle-Ofen. Jedes Gericht in seinem 7-Gang-Menü hat mindestens eine Komponente, die in diesem Ofen zubereitet wird. Wir haben gegessen: kalte Kürbissuppe mit warmen Pizzabrot // mit Holzkohle flambierter Pazifikhecht // Pulpo mit gegrillter Paprika // gebratene Pilze mit Mozzarella und roher Kastanie // gegrilltes Gemüse // japanisches Rinderfilet // Pizza mit kleinen Fischen // gegrillter Pfirsich mit Traubengelee – 10 von 10 Punkten!

Ansonsten gilt in Kyoto das gleiche Prinzip, wie in Tokyo. Man überlegt sich, was man Essen möchte und geht auf die Suche, z. B. zu

Maruta Ramen: bissfeste Nudel in etwas Brühe, mit einem sehr weichen Ei, dass man in den Nudeln verrührt und dass das Ganze sehr cremig und lecker macht. Als Vorspeise gibt es hier eingelegten Rettich mit Wasabi und Katseboushi Flocken – was leckerer ist, als es klingt.

Miso Tsukemen Ramen – dabei gibt es statt einer Brühe für die Nudeln eine dickflüssige Soße zum Dippen.

Okonomiyaki: Pfannkuchen mit Weißkohl, Fleisch und auf Wunsch ganz viel Frühlingszwiebeln gefüllt

Yakisoba: dicke, gebratene Nudeln mit Gemüse und Fleisch oder Fisch

Gyoza: mit Fleisch gefüllte, gebratene Teigtaschen. Dazu gibt es Misosuppe und Reis.

Und auch das Thema Snacken kommt in Kyoto nicht zu kurz, vor allem im Nishiki Markt. Der Markt ist eine kleine, mit buntem Glasdach versehene Straße, die sich über drei Häuserblocks erstreckt und in der sich ein Essensstand an den anderen reiht. Für ein paar wenige Yen kann man hier überall einen kleinen Happen kosten, z. B. Tamago (das japanische Omlett), gegrillte Calamari, eingelegten Rettich, gegrillten Aal, Okonomiyaki, einen Matcha Tee Smoothie mit Apfelkompott und Sahne und noch vieles mehr.

Praktisch für die Ausflugstouren ins Umland sind fertig gepackte Bento-Boxen zu Mittag. Von Fisch über Fleisch, Reis, Gemüse und Omlett ist hier ein fertiges Gericht zusammengestellt, dass auch kalt gut schmeckt.

Wo gibt es guten Kaffee?

In Kyoto hat Kaffee einen Namen:

Arabica

Die Kaffeekette stammt von hier und expandiert gerade nach Nordamerika und Europa. Vor ein paar Monaten hat der erste Arabica in Berlin aufgemacht. In Kyoto gibt es drei Cafés und die beiden, die wir besucht haben, hatten ziemlich unschlagbare Standorte. Café 1 liegt in Ninnen-Zaka, mitten im Touri-Hotspot

und Café 2 in Arashiyama und hat damit den vielleicht schönsten Ausblick, den man sich als Barista wünschen kann. Wenn man denn mal Zeit hat, aus dem Fenster zu schauen, denn Arabica Cafés zeichnet vor allem Eines aus: die lange Schlange davor.

Wanderers Coffee Stand

Für einen entspannten Kaffee am Morgen und einen French Toast dazu, empfehlen wir den Wanderer’s Coffee Stand. Ausnahmsweise kein Stehcafé und damit ein Ort, an dem man entspannt den Tag planen kann.

Weekenders 

Der Klassiker der Speciality Coffee Szene in Kyoto: an einem Hinterhof-Parkplatz in der Nähe des Nishiki Marktes gelegen, bekommt man in diesem kleinen Café sehr solide Lattes und Espressos und kann auch die Café-eigene Röstung kaufen.

Vermillion

Entweder schaut man vorbei, bevor man sich ins Getümmel des Fushimi-Inari stürzt, oder danach, um wieder zur Ruhe zu kommen. Das kleine Café liegt ganz in der Nähe des Bahnhofs und man kann sogar noch schöne kleine Souvenirs kaufen.

Das ist unser Kyoto-Soundtrack

Japanese Lo-Fi Hip Hop