Nachdem wir beide schon einige Jahre nicht mehr in Leipzig waren, haben wir uns entschlossen, übers Wochenende vorbeizuschauen und herauszufinden, was sich so getan hat. Neben Adventsgetümmel, jeder Menge Kultur und gutem Essen kam ein auch ein Gefühl der Nostalgie auf.
Plagwitz – zwischen Retro und Moderne
Wir haben über Airbnb eine Unterkunft in Plagwitz bei Andre gefunden.
Das traf sich gut, denn erster Programmpunkt unseres Wochenendes war die alte Baumwollspinnerei, die seit den 90er Jahren ein Kunstraum mit inzwischen 120 Künstlern und 11 Galerien geworden ist.
Plagwitz ist ein ruhiges, junges Viertel. Uns wurde versprochen, dass hier gerade der heiße Scheiß in Leipzig abgeht, aber im Vergleich zu dem, was wir aus Berlin gewohnt sind, ist selbst der heiße Scheiß hier sehr entspannt.
Baumwollspinnerei
Die Baumwollspinnerei war noch bis zur Wende Industriestandort. Nachdem die Maschinen ab 1992 stillstanden, suchte man nach einem Nachnutzungskonzept, damit das Gelände nicht verkommt oder besetzt wird. Einer der ersten neuen Mieter: Neo Rauch. Nachdem die Neue Leipziger Schule den Kunstmarkt erobert hatte, nahm die Entwicklung der Spinnerei Fahrt auf. Immer mehr Künstler mieteten Ateliers. Namenhafte Galerien zogen hinterher. Die Mischung ist spannend, unterhaltsam und abwechslungsreich.
In der Galerie b2_ sieht man gerade Fotografien des Japaners Hayahisa Tomiyasu, der eine etwas seltsame Auto-Obsession zu haben scheint.
Bei Dukan zeigt Peggy Pehl Keramiken, die von griechischen Inseln inspiriert sind (… fragt nicht …)
Die Galerie Kleindienst zeigt einen echten „Leipziger Schüler“ – Malereien von Falk Gernegross
Bei Eigen + Art begibt man sich in die französische Fabelwelt und die blutrünstige, aber unterhaltsame Fantasie von Rémy Markowitsch
In der Maerzgalerie zeigt Sebastian Schrader unter dem Titel „Happy Monday“ großformatige Malereien, die Obdachlose darstellen
Etwas heraus sticht das Porzellanatelier von Claudie Biehne und Stefan Passig – die filigrane und experimentelle Bearbeitung ist hochinteressant.
3-4 Mal im Jahr finden Atelierführungen statt, bei denen man in das Heiligtum der Künstler schauen kann. Dafür lohnt es sich sicherlich, noch mal vorbeizuschauen.
Grassi Museen – Museum für Angewandte Kunst
Absolut empfehlenswert für alle Freunde von Kunst, Kultur und Geschichte, ist der Grassi-Museumskomplex. Wir haben das Museum für Angewandte Kunst besucht. Hier werden Exponate von der Antike bis zur Moderne ausgestellt – genauer, alles womit Menschen sich, ihren Wohnraum, ihre religiösen Stätten und Rituale ausschmücken. Das alles wird jeweils in einen geschichtlichen und europäisch-kulturellen Kontext gestellt.
Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut, zieht aber auch Verbindungen über die Zeiten hinweg. So werden die Skulpturen des Berliner Künstlers Robert Metzkes zusammen mit Gegenständen aus der römischen Antike ausgestellt.
Ebenfalls interessant – auch persönlich ;) – das Siegel der Stadt Zwickau aus dem Jahr 1472 und ein von Peter Breuer gestaltete und vor der Reformation in der Zwickauer Nikolaikirche befindliche Altar.
Leider haben wir es nur bis in die Renaissance geschafft und konnten alles weitere nur im Schnelldurchgang anschauen, weil wir sonst unseren Zug verpasst hätten. Das bedeutet wohl – wir müssen wieder kommen.
Will man alle drei Museen im Grassi-Gebäude besichtigen, muss man einen Tag einplanen. Doch das lohnt. Allein das Gebäude selbst, ist eine Augenweide, ganz zu schweigen vom barocken Johannisfriedhof, der sich ebenfalls auf dem Gelände befindet.
In Leipzig isst man vegan und lebt in retro
Leipzig scheint auf vegane Ernährung umzustellen. Ein veganer Supermarkt/Imbiss direkt in der Innenstadt ist da nur der Anfang. Bei unserem Frühstück im süß+salzig kam auf eine Alibi-Wurst/Käse mindestens 3 vegane Brotaufstriche. Wie viele andere Cafés und Restaurants herrscht hier außerdem ein ganz eigener Retro-Stil vor. Das wirkt aber authentisch, da in Leipzig noch nicht alle Ecken kaputtsaniert sind.
Empfehlenswert ist das Restaurant Zest in Connewitz. Hier wird vegan und kreativ gekocht. Das Menü wechselt alle 2 Monate. Im Moment ist es winterlich passend: herzhaft und wärmend.
Zur Vorspeise hatten wir eine Pilz-Boullion mit Haselnüssen und getrockneten Tomaten und eine Zwiebel-Creme-Suppe mit Räucherpaprika-Öl
Als Hauptgang gab es das Sojasteak mit grünen Bohnen, gebackenen Kartoffeln und eine Zitronen-Kapernsoße sowie Pasta mit Walnusspesto, Oliven, Orangen und Wirsing. Statt Parmesan gibt es Semmelbrösel.
Zum Nachtisch haben wir den Nelkenkuchen probiert. Dazu ein Portwein und man rollt vollgefressen und zufrieden auf die Straße.
Advent in Leipzig
Die Baustellen sind weg, die Innenstadt von Leipzig ist wirklich schön geworden. Farbenfroh und leuchtend geschmückt, hat sie uns zum bummeln eingeladen. Als Erstes haben wir uns allerdings Handschuhe und Mützen gekauft, denn die Temperaturen haben uns etwas überrascht.
Beim Weihnachtsmarkt blieben keine Wünsche offen: kitschig, Rummel, traditionell, mittelalterlich und finnisch – in Leipzig gibt’s alles.
Wir kommen wieder!