Bis ins frühe 20. Jahrhundert war Amman, die Hauptstadt des heutigen Jordaniens, ein eher überschaubares Städtchen. Inzwischen leben im Großraum Amman allein 4 Millionen der insgesamt knapp 10 Millionen Einwohner des Landes.
Diese „kurze“ Geschichte als Großstadt wird direkt sichtbar, denn Amman ist ein homogenes Meer aus beigen, quaderförmigen Wohnhäusern, die verhältnismäßig schnell entstanden sind. Eine klassische Altstadt gibt es hier nicht.
Wenn wir in Amman über „alt“ sprechen, dann gleich richtig und zwar römisch oder aus der Zeit der Umayyaden (ca. 600 Jahrhundert). Was Amman dafür zur Genüge hat, sind Hügel, oder auf Arabisch Jebel. Rauf und Runter, Rauf und Runter, das ist der Weg, den man gehen muss, wenn man Amman zu Fuß erkunden will. Wie schon in Beirut, gibt es hierfür praktische Treppen, denn die Straßenführung ist mehr als verwirrend.
Jebel Weibdeh
Wir haben sowohl zu Beginn als auch zum Ende unseres Jordanien-Urlaubs ein paar Tage in Amman verbracht. Da unser 2. Hotel nicht erwähnenswert war, stelle ich euch nur unser erstes Hotel im Stadtviertel Weibdeh vor.
Im La Locanda Hotel sind alle 14 Räume nach arabischen Musikern benannt. Das kleine Boutique Hotel liegt im in einem sehr schönen Viertel oberhalb von Amman Downtown.
Schon am dritten Morgen, auf dem Weg um Kaffee zu holen, hat es sich fast ein bisschen heimelich angefühlt.
Die Al-Ba’ouniyah Street und die parallele Kulliyat al-Sharee’ah Street mit dem Paris Square sind voll mit Cafés, Restaurants und kleinen Geschäften. Sehr angenehm zum Bummeln und Abendessen.
Was ist besonders schön?
Auch eine der schöneren, urbanen Ecken von Amman ist das Gebiet rund um die Rainbow Street. Hier geht es aber schon wesentlich touristischer zu. Nicht überraschend, dass hier auch die bekannteren der Restaurants in Amman liegen.
Aufgrund seiner sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung, hat Jordanien eine recht breite Mittelschicht. Entsprechend unterscheiden sich die Stadtviertel rein optisch nicht so stark von einander, allerdings entwickelt sich im Nordwesten das Stadtviertel Shmeisani gerade zu einem eher luxuriösen Pflaster mit all den verspiegelten Hochhausfassaden, die man von überall anders auf der Welt auch kennt. Geschmacksache, aber es sieht definitiv auch gleich etwas mehr nach Metropole und Landeshauptstadt aus.
Was muss man unbedingt ansehen?
Der Zitadellen-Hügel
Herzstück von Ammans Touristenattraktionen ist der Zitadellenhügel, die historische Befestigungsanlage der Stadt. Bereits als römisches Philadelphia und auch später unter den Umayyaden war hier was los.
Neben den Tempelruinen, der alten Moschee und jeder Menge antiker Steine und Eidechsen, hat der Hügel noch ein anderes Highlight zu bieten: einen grandiosen Blick über die Stadt, der einem erstmal die Dimensionen von Amman vor Augen führt.
Der hier sichtbare Raghadan-Fahnenmast ist übrigens über 125 Meter hoch.
Besonders toll wirkt das Panorama, wenn mittags alle Muezzine der Stadt gleichzeitig zum Gebet rufen.
Römische Ruinen
Wo wir gerade bei alten Ruinen sind: unterhalb der Zitadelle gibt es noch ein römisches Amphitheater und ein Odeon.
Direkt an das Theater angeschlossen sind noch zwei Ausstellungsräume (Museen wollen wir sie mal nicht nennen) in denen das traditionelle Beduinenleben und die traditionelle Kleidung und der Schmuck der Stämme ausgestellt sind.
Die Nationalgallerie für Bildende Kunst
In Weibdeh gelegen, befindet sich das Museum in zwei durch einen kleinen Park getrennten Villen. Die Ausstellung vereint zeitgenössische Künstler aus dem arabischen Raum und aus anderen Schwellenländern. Außerdem gibt es auch ein sehr schönes kleines Café mit Terasse und einen tollen Museumsshop.
Die König-Abdullah-Moschee
Die größte und schönste Moschee Ammans ist ganz in der Nähe des Museums zu finden. 1989 fertiggestellt und vom aktuellen König Hussein II. seinem Großvater gewidmet, fasst der Innenraum ca. 7000 Menschen.
Die Moschee steht in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer griechisch-orthodoxen und zu einer koptischen Kirche. Das zeigt eine Nähe der Religionsgemeinschaften (zumindest der Muslime und der Christen), die in Jordanien sicherlich einzigartig in der Region ist. Ca. 10% der Bevölkerung sind Christen, die sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik verhältnismäßig stark repräsentiert sind. Überhaupt spürt man in Jordanien, dass Toleranz ein wichtiges soziales Element ist. Man will sich gegenüber seinen Nachbarn behaupten und positionieren, ein moderater und neutraler Partner für internationale Projekte sein und möglichst viele Touristen im Land begrüßen. Das heißt nicht, dass man sich als Tourist daneben benehmen oder jegliche sozialen Gepflogenheiten ignorieren sollte, aber im Vergleich mit anderen Ländern wird hier selbst der nervigste Tourist noch mit Geduld und Freundlichkeit behandelt.
Darat al Funun & MMAG Stiftung
Zwischen Weibdeh und Downtown liegt das Gelände von Darat al Funun. Die Initiative hat in mehreren Gebäuden, eingebettet in einen sehr schönen Park, eine Sammlung lokaler Künstler zusammengetragen. Der Park ist ein Ruhepool, in dem man gern mal ein paar Minuten verharrt und den Ausblick genießt.
Genauso verhält es sich auch mit der Villa der MMAG Stiftung, die auf der anderen Seite der Hügel zwischen Downtown und Rainbow Street liegt und ebenfalls eine kleine aber feine Kunstausstellung beherbergt.
Was muss nicht sein?
Amman Downtown
Zwar jedem Reiseführer als Zentrum Ammans angepriesen, aber irgendwie eher nervig. Hier versucht Amman eine klassische arabische Großstadt zu sein, aber man merkt, dass das eben nicht organisch gewachsen ist.
Hier liegen auch die verschiedenen Souqs, die aber in Realität nur dunkle, dreckige Gassen sind. Wer noch nie in einem wirklich schönen Souq war, für den fühlt sich das vielleicht authentisch an. Genauso wie Downtown für jemanden, der noch nicht im nahöstlichen Raum unterwegs war, sicherlich eine quirlige Atmosphäre hat. Für uns ist der Funke definitiv nicht übergesprungen – und ganz ehrlich – ganz Amman inklusive des Straßenverkehrs ist im Vergleich zu Beirut oder Istanbul gerade zu ruhig und entspannt.
Ähnlich verhält es sich auch mit Duke’s Diwan, einem alten Stadthaus in Downtown. Es soll mit seiner Einrichtung an das alte Amman erinnern, dass im Zuge der Modernisierung nicht verloren gehen soll.
Der Zustand ist aber so schlecht, dass man nicht ganz versteht, was es hier zu erhalten gilt. Der Gastgeber hat uns zwar auf einen obligatorischen Tee eingeladen, aber sonst fehlt einfach etwas der Charme.
Das nationale Museum ist noch recht neu und leider unfertig. Es ist aber nicht so, als wenn ein Besuch gar nicht lohnt. Draußen vor der Tür empfängt einen ein alter Wagen der Hejaz Bahn und drinnen sind die ältesten menschlichen Statuen und die jordanische Hälfte der Schriftrollen vom Toten Meer zu finden. Außerdem gibt es eine Ausstellung über Jordanien selbst, seine Geografie und Gesellschaft. Hier erfährt man weniger über die Geschichte des Landes, aber um so mehr darüber, wie die Zukunft zwischen erneuerbaren Energien und wissenschaftlichen Innovationen aussehen soll.
Apropos Innovationen: eine interaktive Sonderausstellung für ein jüngeres Publikum beleuchtet, warum das Mittelalter vielleicht in Europa eine eher „dunkle“ Epoche war, im arabischen Raum aber eine goldene Zeit der Entdeckungen und des Fortschritts. Nach einem kurzen Einleitungsfilms mit Sir Ben Kingsley in der Hauptrolle (man hat wahrlich keine Kosten und Mühen gescheut), steigt man ein in eine Ausstellung, die irgendwie ein bisschen an Harry Potter erinnert. Überall sprechen die Bildschirme mit einem und man kann zum Beispiel gemeinsam mit drei Ärzten aus der Zeit eine digitale Operation durchführen, um zu erfahren, welches medizinisches Wissen es damals bereits gab. Alles sehr unterhaltsam, auch für ein nicht mehr ganz so junges Publikum ;)
Wo kann man gut schlemmen?
Amman ist definitiv eine Stadt, in der man nach Empfehlung gehen sollte. Wenn die Restaurants gut bewertet sind, hat das auch seinen Sinn. Zwei Klassiker liegen genau am jeweils anderen Ende des Spektrums wenn es um den Preis geht, aber nicht beim Geschmack:
Hashim – die Anlaufstelle in Downtown für Hummus und Falafel. In einer schmuddeligen Gasse gelegen, essen hier nicht nur Touristen sondern auch Einheimische. Man wäscht sich die Hände am Waschbecken in der Ecke, bekommt einen Müllbeutel auf dem Tisch ausgebreitet, gefolgt von Schüsseln mit dem leckersten Hummus der ganzen Stadt, knusprigen Falafel, Pickles, Foul und frischem Fladenbrot. Es wird mit den Händen gegessen und danach faltet jemand den Müllbeutel zusammen und nimmt alles mit zum Abwaschen.
Sufra – an der Rainbow Street liegt das angeblich beste jordanischen Restaurant in Amman. Hier kommt auch schon mal die Königsfamilie her. Mit mehr Glück als Verstand haben wir auch ohne Reservierung an unserem letzten Abend einen Tisch bekommen und uns noch mal richtig kulinarisch von Jordanien verabschiedet. Neben den Mezze, wie ein äußerst leckerer Fattoush, kommt man hier vor allem her, um Mansaf zu essen. Das jordanische Nationalgericht besteht aus einer Lammhaxe, die in Joghurt geschmorrt und auf Reis mit warmem Joghurt serviert wird. Wir hatten außerdem noch ausgesprochen leckere gegrillte Auberginen mit Hack und Tomaten.
Café Zaizafoun – an einer der vielen Treppen liegt dieses kleine Café. Hier gibt es sehr günstig Kleinigkeiten wie marinierte Auberginen, Labneh und Eier aller Art.
Habibah – für Liebhaber von Süßem, gibts den vielleicht besten Konditor Amman
Books@Café – wenn man in der Nähe der Rainbow Street fußlahm wird, empfiehlt sich dieses Bistro mit seiner schönen Dachterrasse und dem gut sortierten Buchladen.
Oliva – wenn es mal was anderes sein soll, ist diese Pizzeria in Weibdeh eine Empfehlung.
WeFarm – für einen frischen Snack zwischendurch oder einen erfrischenden Saft bietet sich dieser kleine Bio-Supermarkt in Weibdeh an.
Wo gibt es guten Kaffee?
Rumi – die einzige Quelle, die wir guten Gewissens empfehlen können. Rumi in Weibdeh ist nicht nur ein nettes Hipster-Kaffee, sie haben auch noch leckeres Granola dazu!
Das ist unser Amman-Soundtrack
Simon Shaheen – der Namensgeber unseres Hotelzimmers