Nachdem wir letztes Jahr entschieden haben, dass wir den Norden und Osten Europas genauer erkunden wollen, führte uns unser Frühjahrsurlaub nach Budapest. Wir hatten vorher nur Gutes gehört und können das nun auch voll und ganz bestätigen. Wir überlegen schon, ob wir nicht nach Budapest ziehen müssen.
Budapest empfängt einen mit einer Mischung aus entspannter europäischer Großstadt, verbliebenen visuellen Anleihen aus dem Sozialismus und der klassizistischen Zeit der k.u.k. Monarchie – aber mit ganz viel Wohlfühlfaktor. Man ist definitiv im Jetzt angekommen, hier hängt niemand der „guten, alten Zeit“ hinterher. Was aber geblieben ist, wenn wir das nach einer Woche mal ganz frech reininterpretieren dürfen, ist die Mentalität, mit dem was man hat (wenn vielleicht auch nicht optimal) was Gutes zu machen. Und die Betonung liegt hier auf gut, nicht ein bisschen, oder amateurhaft, sondern gut und professionell.
Wichtig zu wissen: man kann so ziemlich überall hinlaufen, also kein Bedarf an ÖPNV oder Auto; wer hier schlechten Kaffee trinkt, der macht was richtig falsch; Craft Beer bedeutet hier meistens nicht IPA sondern Fruchtbier (aber trotzdem lecker), Hipster heißen hier Youngster und für den Euro bekommt man hier einiges. Preis-Leistung ist sehr angenehm.
Bei Judit
Wir haben uns mal wieder auf Airbnb verlassen und wurden nicht enttäuscht. Schon ein erster Blick zeigt, dass man in Budapest aus sehr sehr vielen, sehr sehr schönen Unterkünften wählen kann, die auch alle nicht viel kosten. Ab 26 Euro bis 45 Euro pro Nacht bekommt man schon tolle Unterkünfte. Wir haben uns für Judits Einzimmerwohnung im Jüdischen Viertel – dem aktuellen place to be – entschieden und waren sehr zufrieden. Die Wohnung liegt in einem sehr interessanten Haus aus den 1920er Jahren, direkt gegenüber der großen Synagoge von Budapest.
(*einfach auf die Bilder klicken, für die große Ansicht)
Wie viele Budapester vermietet Judit die Wohnung das ganze Jahr als Ferienwohnung. Daher ist das alles sehr professionell aufgezogen. Sie hat sogar einen eigenen Stadtplan für das Viertel gestaltet. Ferienwohnungen privat zu vermieten, hat in Budapest schon viele Jahrzehnte Tradition und das merkt man.
Was ist besonders schön?
Budapest hat einen ganz besonderen Charme. So viele schöne Häuser unterschiedlicher Architektur, meistens mit etwas Patina aber immer charmant, tolle Hinterhöfe zum Erkunden, viele Bäume und die Donau. Im Jüdischen Viertel (und auch in einigen anderen Vierteln) fragt man sich, wie viele Restaurants, Bars und Cafés es eigentlich auf einem Quadratkilometer braucht …
Was muss man unbedingt anschauen?
Die Synagoge ist sehr interessant, auch wenn der Eintritt recht teuer ist. Wie die große Synagoge in Berlin, wurde sie von Reform-Juden gebaut und verfügt über eine faszinierende Mischung aus jüdischen und christlichen Anleihen, die im Zuge der Assimilierungsbestrebungen zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist.
Das Haus des Terror in der Andrassy ut. 60 ist ein interessantes Museum, das sowohl die zwei Jahre Terrorherrschaft unter den nationalsozialistischen Pfeilkreuzlern zum Ende des 2. Weltkrieges sowie die Machenschaften der kommunistischen Geheimpolizei in den Jahren bis 1989 dokumentiert.
Was muss nicht sein?
Am Ende ist es Geschmacksache, ob man das Burgenviertel toll findet oder nicht. Auf jeden Fall keine komplette Zeitverschwendung, aber irgendwie auch unnatürlich, weil total touristisch.
Zum Thema Thermalbad wurden wir schon vor unserem Besuch in Budapest etwas enttäuscht. Wir hatten uns auf einen Wellnesstag mit schwimmen, saunieren und der einen oder anderen Massage gefreut. Leider ist es aber in vielen Bädern so, dass unter der Woche der Behandlungsbereich geschlechtergetrennt ist. Alternativ haben wir uns für einen Besuch im Magnolia Day Spa entschieden und auf die Thermalquellen verzichtet. Das war genau die richtige Entscheidung. Das Spa ist sehr schön, die Behandlungen waren super und man kann die Sauna- und Whirlpool-Area noch bis zu 3 Stunden nutzen. Definitiv eine Empfehlung, man schwebt danach hinaus.
Ins ungarische Nationalmuseum sollte man nur gehen, wenn man viel Langeweile hat (so wie wir am 1. Mai, als alles andere geschlossen hatte). Die Ausstellung ist sehr konservativ und zieht sich (und an manchen Stellen darf man nicht nach historischer Genauigkeit bzw. Objektivität fragen … ). Der Audioguide erschlägt einen zuerst mit unendlichen Informationen und zum Schluss mit dem Preis, denn es wird nach Nutzungsdauer bezahlt, mit dem Ergebnis, dass man sehr leicht viel mehr für den Audioguide als für den Eintritt zahlt.
Wo kann man gut shoppen?
Eine spannende Frage… Budapest ist definitiv kein Shopping Hot Spot. Es gibt ein paar klassische Einkaufsstraßen mit den typischen Ketten. Aber kleinere Läden oder Boutiquen sind spärlich gesät. Vielleicht liegt es daran, dass die Mehrheit der potentiellen Ladenflächen von Bars und Restaurants belegt sind.
Printa ist eine Empfehlung: Prints, Designkram, ein paar abgedrehte Klamotten, da findet sich was.
Rododendron ist ebenfalls ein ungarischer Designshop im jüdischen Viertel.
Tisza sind die ungarische Antwort auf Adidas mit Sneakern, Sportschuhen und Klamotten.
Mono Fashion präsentiert ungarische Designer für Kleidung und Accessoires.
Szputnyik Second Hand und neue Sachen.
Wo kann man lecker essen?
Zumindest im Jüdischen Viertel können wir die Frage mit „fast überall“ beantworten. Deshalb hatten wir auch sehr unterschiedliche, kulinarische Ausflüge. In diesem Sinne: „I am hungry – Ich bin Ungar“
1. im Kolor: Entenbrust mit Pfannkuchen und Möhrenpüree & in Paprika marinierte Rippchen
2. im jüdischen Dafke Deli ein Pastrami-Sandwich mit Krautsalat
3. bei Zing Burger (dem angeblich besten Burger der Stadt – stimmt bestimmt): BBQ Burger mit Fries
4. ungarische Küche im Castro Bistro – genauer Rindergulasch mit Nudeln, Hüttenkäse und Speck und Rote Beete-Rösti mit Hühnchen und Saurer Sahne
5. einfache, gute Pasta bei Pasta Bella, ein Restaurant in einer langen Reihe von Touristenfallen, das mehr kann als man auf den ersten Blick denkt, z. B. sehr leckere Spaghetti Aglio e Olio und Bolognese aus Ragout (Schwein, Kalb und Rind) und nicht aus Hackfleisch
6. obwohl es eine Kette ist, geht es bei der Hummus Bar sehr lecker zu. Man kann zu seinem Teller Hummus aus diversen vegetarischen oder fleischlichen Toppings wählen:
Wo gibt es guten Kaffee?
Speciality Coffee in Budapest – kein Problem, wirklich gar kein Problem. Wir haben an der Budapest Coffee Tour teilgenommen und unsere Karte abstempeln lassen:
1. Fekete – Flat White, Double Espresso und die Limonade mit dem besten Namen aller Zeiten: John Lemon (stammt aus Polen)
2. Kontakt – Flat White und Croissant
3. My little Melbourne Coffee – Double Espresso und frischer Möhren-Grapefruit-Erdbeersaft
4. Kelet Kávézó – türkischer Mokka und gegrillte Sandwiches (sicherlich das schwächste der Cafés auf der Tour, nur dafür lohnt die Reise auf die Buda-Seite nicht)
5. Espresso Embassy – bei den Champions an der Aeropress und in Latte Art gibt es Frühstück (Flat White, frischer Saft und leckeres Bananenbrot)
6. Tamp & Pull – ebenfalls ein hervorragend geklöppelter Flat White
7. Mantra Café – Tiramisu mit Cold Brew und frische Säfte
8. Madal Café – Flat White, Double Espresso und (leider nicht so leckerer) Schoko-Cookie
Die heimische Rösterei heißt Casino Mocca (kein Schnäppchen) und viele Cafés schenken die Röstungen sowohl für Espresso als auch für Filterkaffee aus. Darüber hinaus kommt vor allem Kaffee aus britischen Röstereien zum Einsatz.
Welches Lied ist unser Budapest-Ohrwurm?
und definitiv nicht …