Das Architektur-Puzzle von Bordeaux

Das Erste, was einem zu Bordeaux einfällt, ist Wein, das Zweite: UNESCO Weltkulturerbe für die Altstadt. Soweit so erwartbar, doch Bordeaux hat uns in anderer Hinsicht überrascht und zwar beim Thema Stadtentwicklung. Denn direkt auffällig war, dass in den letzten 10-15 Jahren in großem Umfang ganze Stadtviertel neu entstanden sind. Und, dass man in Bordeaux scheinbar schon länger einen Hang zu moderner Architektur hat.

Seit den 1970er und 1980er Jahren zieht es die Einwohner*innen Bordeaux – wie überall anders auch – an den Stadtrand auf der Suche nach Wohneigentum. Doch seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts kommt ein enormer Zuzug in den urbanen Raum hinzu, der es nötig macht, Wohnraum zu schaffen. Allein an der Universität von Bordeaux studieren inzwischen über 80.000 Student*innen. Entsprechend werden in Bordeaux zehntausende Wohnungseinheiten gebaut, was dazu führt, dass Bordeaux sich über den ursprünglichen Stadtbereich immer weiter zu einem urbanen Konglomerat entwickelt, in dem inzwischen bereits 1.2 Millionen Menschen leben.

Le Lac

Wir haben in einem neuen Hotel im Norden von Bordeaux, im Viertel Le Lac, übernachtet. Le Lac liegt ganz beschaulich an einem See, der hier in den 1960er Jahren als Hochwasserschutz angelegt wurde, um das Gebiet überhaupt bebaubar zu machen. Die erste Bebauung diente scheinbar primär als Gewerbegebiet, selbst hier aber mit interessanten Gebäuden.

Direkt daneben überrascht das neue „Ginko“-Viertel – ein sogenanntes „Öko“-Viertel mit seinen Dimensionen.

Was heißt „Öko“ in diesem Zusammenhang? Warmwasser und Heizung werden über ein eigenes Biomasse-Kraftwerk geliefert; Strom kommt aus erneuerbaren Energien; die Gebäude sind energieeffizient konzipiert; Grün- und Wasserflächen sollen Biodiversität sicherstellen; soziale Durchmischung und die wesentliche Verkehrsanbindung erfolgt über ÖPNV. Das Projekt ist die Sperrspitze auf dem Weg von Bordeaux zur nachhaltigen Stadt bis 2030.

Klingt gut, sieht gut aus, aber nicht alles ist super. Trotz guter Lage und Verkehrsanbindung beschweren sich viele Einwohner*innen über die schlechte Verarbeitung der Wohneinheiten und die mangelnde städtische Entwicklung hinsichtlich Geschäften und kulturellen Angeboten. Ein paar Wohnblöcke machen halt noch kein Quartier.

Hafenviertel

Ebenfalls enorm bebaut, wurde offensichtlich der Hafenbereich. Hier ist zwischen 2001 und 2011 ein neues Wohnviertel entstanden. Und es geht weiter; gerade entsteht eine Mall, ein großes Kino und Restaurants. Auch das futuristische Wein-Museum steht hier.

Im Hafen verschmelzen auch wieder Geschichte und Zukunft von Bordeaux. Mitten in den neuen Stadtvierteln steht ein Beton-Megabau, der alte U-Boot Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.

Der Bunker wurde komplett von seiner Historie losgelöst, keine Ausstellung zur ehemaligen Nutzung, keine historischen Artefakte. Stattdessen wird hier eine Multi-Media Ausstellung zu französischer Malerei gezeigt, die an die Innenwände des Bunkers projiziert wird.

Historische Innenstadt

Klassisch „französisch“ geht es in der Altstadt zu, mit Kathedrale und allem drum und dran. Obwohl – auch hier findet sich immer mal wieder ein ganz anderer architektonischer Stil.

Die Kathedrale ist typisch gotisch. (Unter uns … wir fanden die in Tours schöner… )

In der Altstadt findet der Tourist und die Touristin auch jede Menge Shopping-Angebote, Restaurants und Bistros.

Empfehlen können wir das kleine aber feine Horace, vor allem zum Lunch.

Zum Nachtisch gibts dann das stadttypische Gebäck: die Canelés de Bordeaux – kleine karamellisierte Gugelhupfe.

Bouscat

Und dann wird es auch noch ländlich. Westlich der Innenstadt schließt sich das Viertel Bouscat an. Hier wiederum bekommt man eine ganz andere Optik geboten, nämlich die einer französischen Kleinstadt auf dem Land.

Schließt man den Bogen, kommt man von Bouscat wieder nach Le Lac und hat damit eine spannende architektonische Rundreise durch Bordeaux hinter sich.