Wie wenig das Gefühl von Vertrautheit etwas mit Sprache oder der Tatsache, ob man tatsächlich schon mal an einem Ort war, zu tun hat, zeigt unsere eigentliche Urlaubsreise nach Polen. Runtergebrochen: hier sieht es ein bisschen aus wie in Brandenburg.
Felder, Wiesen und Auen, Heiden und Mischwälder durch die die Sonne auf die unfassbar vielen Blaubeersträucher fällt. Die Weizenfelder, die entweder noch im Wind wehen oder bereits abgeerntet und zu ansehnlichen Ballen zusammengefügt sind; lange Alleen und Teiche und Seen umgeben von Schilf. Ein wohliges Gefühl macht sich breit, wenn ich aus dem Autofenster schaue.
Unser Hotel für den ersten Teil der Reise liegt in Olsztyn am See (und ca. 150 km entfernt von dem Ort, von dem wir dachten, dass es da liegt …) und der Seeblick am morgen und Abend versetzt einen sofort in Urlaubsstimmung.
Das Hotel ist offensichtlich noch sehr neu, die Zimmer schön und modern eingerichtet. Es gibt zwei Restaurants: ein asiatisches direkt im Hotel, das aber von der Mehrheit der Gäste nicht so gut angenommen wird, und ein polnisch-europäisches direkt neben dem Hotel, das im Sommer angesichts des Ansturms ziemlich ins Schwimmen kommt.
Beliebt ist das Hotel vor allem bei Familien … zu unserem Leidwesen. Pool, Sauna und Behandlungen gibt es im Spa-Bereich. Die Behandlungen sind gut und vor allem die polnischen Preise überzeugen. Die Sauna ist recht klein aber wenig genutzt, was man vom Pool leider nicht sagen kann. Hier findet man auch 20:00 noch kleine Kinder in der Überzahl.
So sehen übrigens die schönen Seiten on Olzstyn aus:
Aber das Frühstück ist super. Meine Favoriten haben eine ähnliche Wirkung auf mich, wie die Landschaft, sie erinnern mich an Dinge aus der Vergangenheit, Speisen, die ich schon lange nicht mehr gegessen habe und Geschmäcker, die irgendwo im Gehirn abgespeichert sind.
In Bezug auf die polnische Küche ist das eine Art „Ost-Geschmack“, der nicht mehr so richtig Teil unserer Küche ist, aber trotzdem abgespeichert im kulinarischen Gedächtnis – so wie der Geschmack des DDR Erdbeerjoghurts aus der Glasflasche, den ich nie wieder gefunden habe aber sofort erkennen würde.
Beim polnischen Frühstück überzeugt die kalte Küche: eingelegter Fisch in verschiedenen Varianten, darunter ein ganz hervorragend abgeschmeckter Brathering; alles, was es an Zwischenstufen zwischen Quark und Käse so gibt; Salate, wie den sehr leckeren Eiersalat.Auch die süßen Sachen haben es in sich, wortwörtlich, denn es wird viel gefüllt: Eierkuchen mit süßer Quarkfüllung und Blaubeerkompott oder kleine Teigteilchen in verschiedenen Formen, die schmecken wie die kleinen Hörnchen, die man früher gemacht hat um die Marmeladenreste aufzubrauchen.
Und noch etwas begeistert uns an der polnischen Küche – die Rohkostsalate. Bei uns irgendwie ein bisschen in Vergessenheit geraten oder nur noch als fancy schmancy Version mit Schnickschnack zu bekommen. Hier gibt es die Klassiker noch: Gurken, die nach Gurken schmecken mit etwas Creme Fraiche, Weißkohl der nichts braucht als etwas Essig, Öl, Salz und Pfeffer und Dill, Tomatensalat, Rote Beete Salat usw.
Uns freut die Auswahl auch noch aus einem anderen Grund: die Polen tun sich schwer mit Gemüse zum Essen. Da die Portionen allerdings so enorm groß sind, ist es völlig ausgeschlossen für uns, auch noch Beilagen dazu zu nehmen. Stattdessen lieber einen Gurkensalat. Denn, so lecker wie die Eintöpfe, Suppen, Fisch- und Fleischgerichte sind, sie sind deftig und (zu) schwer, wie z. B. dieser Wildgulasch und der Kartoffelpuffer gefüllt mit Schweinefleisch nach Zigeuner-Art.
Ausflüge in die Masuren
Nachdem unser Hotel nun gar nicht in den Masuren, sondern in der angrenzenden Region Warmia (Ermland) lag, haben wir wenigstens Ausflüge unternommen, um zu checken, wie es den Störchen geht (gut, übrigens).
Unser erster Ausflug steht wohl auf der Liste bei jedem, der wie wir alle Geschichtsdokus im Fernsehen schon dreimal gesehen hat: die Wolfsschanze bei Ketrzyn. Das gesamte Gelände mit den Ruinen diverser Bunker und Gebäude kann eigenständig besichtigt werden. Eigentlich darf man nicht in die Strukturen reingehen, aber daran hält sich keiner.
Surreal wird es, wenn der eine oder andere die Führung auf dem Panzer gebucht hat und einem damit durch den Wald entgegenkommt, bevor er mit dem funktionsfähigen Gewehr auch noch ein paar Schuss abfeuert. Sehr surreal – auch die alten Motorräder mit Beiwagen, die durch den Wald fahren. Es drängt sich manchmal auf der Verdacht auf, dass vor allem die Besucher, die ein etwas anderes Geschichtsverständnis haben, diese Art der Führung bevorzugen. Man muss allerdings betonen, dass es wirklich sonst keine optischen Verweise wie Hakenkreuze etc. gibt. Darauf scheint man also zu achten.
Auf dem Weg zur Wolfsschanze kamen wir noch an dem kleinen Ort Nakomiady vorbei, in dem sich angeblich ein Schloss verbergen soll. Schloss ist etwas übertrieben, sagen wir mal Herrenhaus, allerdings eines der wenigen Herrenhäuser im ehemaligen preussischen Gebiet, dass inzwischen wieder hergestellt wurde.
Das Gebäude selbst ist nun ein Hotel. Angeschlossen sind außerdem eine Werkstatt, die in Handarbeit Kacheln für Kachelöfen herstellt und ein schöner Garten mit unglaublich großem Gemüse, dass scheinbar keiner erntet.
Nachdem wir schon an einigen Seen vorbeigekommen waren und direkt an einem See nächtigten, wollten wir auch mal an einen rauf und sind ins Herz des masurischen Wassertourismus gefahren – nach Ruciane-Nida. Mit einem Boot sind wir dann auf dem Guzianka Wielka herumgekreuzt. Die Seen der Masuren sind noch zum überwiegenden Teil an den Ufern bewaldet. Man kann sich fast vorstellen, dass es so aussah, als Tom Hutter mit seinem Hausboot im Otsego-See lag und ihn Natty Bumppo und Chingachgook besuchten.
Etwas mehr Zivilisation gibt es an der Schleuse und dem anliegenden Hof
oder wenn plötzlich aus dem Dickicht etwas auftaucht, dass wie ein altes FDJ-Ferienheim aussieht.
Doch selbst das sieht im Sonnenschein eher nostalgisch als heruntergekommen aus und lenkt nicht von der allgemeinen Romantik der Masuren ab.