Nach dem Sturm – Tacloban, Philippinen

Nach Äthiopien im letzten Jahr ging es dieses Jahr im Rahmen meiner Arbeit mit UNICEF auf die Philippinen, genauer nach Tacloban. Die Insel liegt in den Tropen. Die Landebahn des Flughafens ist so kurz, dass das Flugzeug schon Bodennähe haben muss, wenn es endlich auf Land aufsetzt. Adrenalin gleich zu Beginn. Danach wird man willkommen geheißen in einer sehr lebhaften, asiatischen Kleinstadt. 

Tac5Tac9Die Philippinen sind eine ehemalige spanische Kolonie, doch davon sieht man nicht mehr viel. Man orientiert sich inzwischen eher an den USA. Coca-Cola hat erst kürzlich ein neues Werk hier gebaut und eine große Shoppingmall hat vor einigen Wochen die Türen geöffnet. McDonalds und KFC sind auch schon da. Wir waren in einem modernen Hotel untergebracht und haben ganz hervorragend gegessen.

IMG_20150519_120651Die philippinische Küche ist nicht besonders speziell. Es gibt eher Gerichte aus der chinesischen, thailändischen oder japanischen Küche, viel Seafood und Fisch und Anleihen des amerikanischen BBQ. Getrockneter Fisch gehört definitiv auch dazu:Tac20

Die gängigen Fortbewegungsmittel sind bunt angemalte Busse und Fahrrad-Rikschas.

Die Philippinen sind ein sehr katholisches Land. Was das für die Themen Aufklärung und die Zugänglichkeit von Verhütungsmitteln angesichts einer großen Anzahl an Teenagerschwangerschaften bedeutet, kann man sich an einer Hand abzählen. IMG_20150519_160832Die häufigsten Nutzpflanzen sind Bananen- und Kokospalmen und natürlich Reis, den die meisten Familien im Hinterland in einem kleinen Feld anbauen und in der Sonne trocknen, um ihn haltbar zu machen. Phil1

Doch die Idylle trügt. Die ganze Region ist Teil des Pazifischen Taifungürtels. 20-25 kleinere Taifune im Jahr sind Normalzustand. Nicht normal war die Katastrophe, die sich im November 2013 hier ereignet hat. Tacloban war Ground Zero als der Taifun Haiyan auf die Philippinen traf. Danach stand kein Haus, keine Straße und keine Kokospalme mehr. Einige Eindrücke sieht man hier. Heute bekommt man nur noch an einigen Stellen einen Eindruck von der Zerstörungskraft.

Dass jetzt, eineinhalb Jahre nach der Katastrophe hier alles wieder scheinbar zur Normalität zurückgefunden hat und die Stadt wieder aufgebaut ist, ist eine Leistung die eigentlich an Zauberei grenzt. Einen großen Anteil hatten die vielen Hilfsorganisationen, die bereits in den ersten Tagen nach dem Sturm vor Ort waren. Ihr Beitrag war aber nicht nur die Bereitstellung von Notunterkünften, sauberem Wasser, medizinischer Versorgung oder Lebensmitteln. Nach dem sich über die nächsten Monate viele Organisationen mit ihren Mitarbeitern hier etabliert haben, zeigt sich noch ein anderer Effekt. Die ausländischen NGOler bringen Liquidität mit. Geld beginnt in der Stadt zu zirkulieren und trägt maßgeblich dazu bei, dass sich Hotels und Restaurants entwickeln und Arbeitsplätze entstehen.

Doch auch in Tacloban gilt eine einfache Regel: wer vor dem Sturm nicht arm war, ist es jetzt auch nicht und wer vorher nichts hatte, hat jetzt gegebenenfalls noch weniger.

Tac12Wenn ein Sturm es schafft massive Stahl-Beton-Konstruktionen zu zerstören, macht er vor Hütten aus Bambusmatten und Wellblech keinen Halt. Die Armenunterkünfte lagen und liegen in und am Wasser. Die Regierung hat eigentlich verfügt, dass innerhalb von 40 Metern an der Wassergrenze nicht mehr gebaut werden darf, aber wenn man keine Alternativen hat (die staatlichen Bauprojekte für Ausweichunterkünfte stagnieren), dann zimmert man sich seine Behausung eben wieder an der gleichen Stelle zusammen.

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Slum1Hinter dem Fischmarkt von Tacloban stehen Pfahlbauten im Wasser. Die Stümpfe zeigen, dass hier vor dem Sturm noch wesentlich mehr Menschen gelebt haben. Ganze „Straßenzüge“ sind seitdem verschwunden.Waterside1Waterside3Waterside2Waterside5

Im Stadtteil San Jose liegt ein Strandabschnitt, den die Filipinos „Murder Beach“ nennen. Hier befanden sich ein Wohnviertel und ein Hotel. Allein auf diesem Gebiet von weniger als einem Kilometer Breite starben 2.000 Menschen. Alles was übrig bleibt sind Berge von Wohnungseinrichtung und ein paar verblichene Bodenfließen im Sand, die zeigen, wo vorher Häuser standen. Murder3Murder2Murder1Die Bilder, die direkt nach dem Sturm am längsten im Gedächtnis geblieben sind, waren die großen Containerschiffe, die die Springfluten an Land gedrückt haben. Als die Schiffe auf die Slums in Wassernähe trafen, pflügten sie die Häuser einfach weg. Eva4

Die Schiffe stehen zum Teil noch heute, auch wenn die Wohngegend direkt um sie herum wieder existiert.Slum9Slum11

Ein Schiff wurde in seine Einzelteile zerlegt und an Schrotthändler verkauft. Übrig ist nur noch der alte Schiffsmotor. Slum8Im Schatten des Schiffes „Eva Jocelyn“ treffen wir auf die Kinder der Nachbarschaft. Es sind Ferien. Hier wie auch in anderen Situationen wird klar, welchen Unterschied das Engagement von Organisationen wie UNICEF in einem solchen Katastrophengebiet macht. Jedes dieser Kinder hat Familienmitglieder verloren und eine Naturkatastrophe erlebt, die jede Vorstellung überschreitet. Aber trotzdem verhalten sie sich wie Kinder. Sie spielen gerade „Restaurant“ als wir dazu kommen. MädchenEine musikalische Einlage bekommen wir auch zuhören.

UNICEF hat bereits Tage nach dem Sturm sogenannte „Kinderfreundliche und -sichere Orte“ eingerichtet. Am Anfang nicht mehr als ein Zelt, in dem die Kinder versorgt und betreut wurden. Die intensive psychologische Betreuung durch Traumaspezialisten hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kinder altersgerecht weiterleben, sich auf Schule und College vorbereiten konnten.

Slum10Trotz des unglaublichen Wiederaufbaus bleibt noch viel zu tun, wenn die Region zukünftig weiter wirtschaftlich wachsen soll. Die Hilfsorganisationen haben ihren Teil geleistet. Jetzt liegt es an der Regierung. Dass das allerdings nicht annähernd so erfolgreich verläuft, wie bei den NGOs ist hier auf den Philippinen genauso wahr, wie an vielen anderen Orten auch. Viele Menschen leben auch über ein Jahr nach dem Sturm noch in temporären Notunterkünften.IMG_20150521_093210Ein Raum, 15 Quadratmeter, 6 Familienmitglieder, keine richtige Wasserversorgung, zum Kochen gibt es nur gemeinschaftliche Outdoor-Küchen.IMG_20150521_093911

So will hier niemand leben, aber die Alternativen sind rar.

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Angesichts solcher Bilder kann vielleicht der Tourismus in Zukunft eine Rolle im Aufschwung spielen.