Unser Herbsturlaub führte uns dieses Jahr nach Südfrankreich – genauer nach Marseille. Sowohl die Anreise (12 Stunden über Nizza per Flugzeug und Zug) als auch das Wetter waren nicht ganz wie geplant, aber etwas den Sommer verlängern konnten wir dann doch.
Marseille ist die zweitgrößte Stadt Frankreichs, aber ganz anders als Paris. Man bemerkt sofort den mediterranen Charakter. Allerdings ist die Stadt keine Liebe auf den ersten Blick. Erst wenn man ein bisschen was gesehen und auch etwas über die Geschichte der Stadt erfahren hat (z. B. dass die zum Teil schreckliche Architektur auf die großflächige Zerstörung während der 40er Jahre zurückzuführen ist), bekommt man ein Gefühl für Marseille. 2013 war sie europäische Kulturhauptstadt und das Angebot ist wirklich toll. Dazu kommt eine besondere Küstenlandschaft und natürlich abwechslungsreiche (Marseille ist eine Migrantenstadt) und leckere Küche. Und trotzdem – sowohl Marseille als auch die Gegend fallen hinter andere Städte und Regionen in Südeuropa etwas ab. Irgendwie nicht so herzlich, irgendwie etwas heruntergekommen, irgendwie uncharmant – ein bisschen die Stiefschwester von Portugal, Spanien und Co.
Wie schon in Istanbul und Paris haben wir uns für ein Mama Shelter-Hotel entschieden. Wie immer schick, mit gutem Restaurant und gutem Entertainment-Angebot. Aber auch hier das gleiche Gefühl – liegt es am Gebäude selbst? Am Service, der zackiger sein könnte? Am Fehlen unserer geliebten Pizzeria? Im Vergleich zu den beiden anderen Hotels ist auch das Mama Shelter in Marseille etwas stiefschwesterlich. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Es war wieder toll, vor allem mit dem kostenlosen Upgrade – vielleicht hat man uns inzwischen auch als treue Gäste auf dem Schirm.
Was ist besonders schön?
Definitiv die Landschaft. Die Kalksteinküste rund um Marseille ist eine spannende Reihe von Buchten und Schluchten – die Calanques, die man auf einer Bootsfahrt erkunden kann.
Dabei geht es auch vorbei am Chateau d’If, dem Schauplatz von „Der Graf von Monte Christo“.
Ebenfalls landschaftlich eine absolute Empfehlung: der Grand Canyon du Verdon – etwa 2 Stunden von Marseille entfernt.
Die Schlucht ist ein eiszeitliches Durchbruchstal. Man kann im Fluß Kanufahren oder den Wanderweg auf halber Höhe nehmen. Dazu sollte man aber richtig ausgestattet und schwindelfrei sein. In unseren Chucks und mit unserer Höhenangst sind wir nicht so weit gekommen.
Man kann den Canyon per Auto komplett umrunden, aber dafür muss man auf jeden Fall einen ganzen Tag einplanen. Wir sind nur bis La-Palud-sur-Verdon gefahren, einem kleinen Dorf auf halber Strecke. Hier gibt es eine Kirche, eine Brasserie und einen kleinen Laden mit regionalen Spezialitäten, in dem wir uns auch eingedeckt haben.
Was muss man unbedingt ansehen?
Für Kulturinteressierte und Museumsliebhaber ist Marseille super. An erster Stelle steht natürlich das neue MuCEM.
Ein Museum am Hafen, das sich der Geschichte und Kultur des Mittelmeerraums widmet. Statt chronologisch die Geschichte der Region zu erzählen, hat man sicher aber vier Themenschwerpunkte rausgesucht (Religion, Landwirtschaft, Staatsbürgerschaft & Menschenrechte und Flora) und an ihnen die Verknüpfungen und den Austausch der unterschiedlichen Länder, Menschen und Kulturen aufgezeigt. Sehr spannend!
Neben dem klassischen Museumsbau gehört auch das alte Fort Saint-Jean zum Museumsbereich. Hier hat man einen Migrationsgarten angelegt, der zeigt, wie sich Pflanzen im Mittelmeerraum verbreitet und verändert haben.
Ebenfalls eine Institution ist das Centre de la Vieille Charité.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Armen-Hospiz werden immer wieder verschiedene Ausstellungen präsentiert. Wir haben uns „Visions Huichol“ angesehen. Gezeigt werden die typischen Fadenbilder der Huichol-Indianer aus Mexiko mit ihrer einzigartigen Mythologie.
Was muss nicht sein?
Etwas enttäuschend war unser Ausflug nach Avignon. Relativ schnell hat man das Gefühl, in einer Art mittelalterlichem Disneyland zu sein. Die Stadtmauer ist zur Hälfte Fassade, die man nachträglich angebaut hat. Der Weg von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten führt einen an wirklich jedem Souvenirsladen der Stadt vorbei und die bekannte Brücke kann man nicht betreten, wenn man dafür nicht unverhältnismäßig viel Eintritt zahlen will.
Der Papstpalast wiederum ist definitiv ein beeindruckendes Gebäude. Wäre da nicht der interessante und informative Audioguide, fiele ein Besuch jedoch eher langweilig aus, den der Palast ist weitestgehend leergeräumt.
Aix-en-Provence, ein weiteres Ausflugsziel ist auch so eine Sache. Leider hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht und uns relativ schnell wieder vertrieben, so dass wir sicherlich nicht alles gesehen haben. Trotzdem bekommt man den Eindruck, dass die Zielgruppe dieses kleinen Städtchens eher wohlhabende Ältere sind, die hier Luxusgüter shoppen dürfen und bloß nicht so weite Strecken laufen sollen. Nicht ganz unser Geschmack.
Wo kann man gut shoppen?
Regionale Delikatessen kauft man am besten auf dem Land. Die meisten Höfe verkaufen Wein, Öl, Lavendel und Honig direkt im Hofladen. Sonst gibt es auch kleine Geschäfte, die die entsprechenden Produkte anbieten. Natürlich ist nichts davon „günstig“, aber das ist das Geheimnis der Franzosen. Wirklich alle Lebensmittel sind von sehr guter Qualität und schmecken hervorragend.
Marseille ist vor allem für die Seifenherstellung bekannt. In allen Souvenirsläden kann man die traditionelle Kernseife kaufen. Wenn es etwas schicker sein soll, bietet sich die Kette „La Compagnie de Provence“ an. Hier werden Seifen, Lotions und Zubehör verkauft. Alles schick, alles anti-allergen und ohne künstliche Zusätze.
Wo kann man lecker essen?
Also, wahrscheinlich kann man an der Essensfront nicht viel falsch machen. Vom Wein ganz zu schweigen. Wir konnten natürlich nur ein paar Restaurants testen.
Das Restaurant liegt auf dem Cours Julien – eine Aneinanderreihung von Restaurants, Cafés und Bars. Die Menüs liegen bei 28 – 35 Euro pro Person. Wir haben gegessen:
Ravioli gefüllt mit einer Fenchelfarce, Dorade auf Risotto und Erdnuss-Karamell-Tiramisu
Gratinierte Muscheln, Rinderfilet mit Kichererbsen-Pommes und Schokokuchen mit Pistazieneis
Ebenfalls auf dem Cours Julien – DER Italiener Marseilles. Hier trifft man mehr Einheimische als Touristen. Pro Gang liegt man hier zwischen 7 und 15 Euro. Allerdings sind sie üppig von der Größe, so dass man für 3 Gänge schon wirklich viel Hunger haben muss. Wir haben gegessen:
Gegrillte Aubergine mit Hackfleisch-Soße und Kräuter-Joghurt und Spaghetti Vongole
Burrata mit Tomatensoße und Risotto mit Tomaten und Chorizo
Mama Shelter Restaurant
Natürlich haben wir auch im Hotel gegessen und da steht Marseille den anderen Hotels in gar nichts nach. Es gab (nicht alles am gleichen Abend): Rinderfilet, Tartar mit asiatischen Gewürzen, Lachs-Rillettes, Gemüse-Salat mit Goma-Sesam-Dressing, frittierte Calamari, Dorade auf Zucchini-Nudeln, Lemon-Meringue-Pie und leckere Cocktails.
aus dem Supermarkt
Machen wir uns nichts vor. Essengehen in Frankreich ist eine teure Angelegenheit. Alternativ kann man sich aber einfach mit den Grundlagen der französischen Mittelmeerküche eindecken: Baguette, Oliven, Tapenade, Käse, Sardinen und Rotwein. Schon hat man ein ganz vorzügliches Mahl.
Wo gibt es guten Kaffee?
Zum Glück (für einige von uns *hust*) befand sich ganz in der Nähe unseres Hotels das einzige Speciality-Coffee Café in ganz Marseille: Coogee. Wie uns der Besitzer erzählte, ist er eine Art Pionier, der den Marseillern die Vorzüge von verschiedenen Röstungen und Zubereitungsarten vermitteln will. Zur Unterstützung dieses heeren Ziels backt er sehr, sehr leckere Muffins.
Ebenfalls einen soliden Kaffee bekommt man bei Green Bear-Coffee – sogar mit Sojamilch! Hier setzt man auf Bio-Zutaten bei Kaffee und Snacks.
Welches Lied ist unser Südfrankreich-Ohrwurm?
Wahlweise „Sur le pont d’Avignon“ oder „Par Avion“ – trotz Air France-Streik.